Er ist der einzige blinde Rennfahrer auf der Welt

Er ist der einzige blinde Rennfahrer auf der Welt: Ralf Mackel ist von Geburt an fast blind (1,5% Sehkraft, das reicht um hell und dunkel zu unterscheiden). Dies hindert ihn aber nicht daran, seine Leidenschaft, die er seit dem frühen Kindesalter verfolgt, auch aktiv auszuüben: Mackels Leben sind Autos und Motorsport. Doch wie kam es dazu, dass der heute 39-Jährige in einen Rennwagen gestiegen ist?

Er ist der einzige blinde Rennfahrer auf der Welt: Ralf Mackel ist von Geburt an fast blind (1,5% Sehkraft, das reicht um hell und dunkel zu unterscheiden). Dies hindert ihn aber nicht daran, seine Leidenschaft, die er seit dem frühen Kindesalter verfolgt, auch aktiv auszuüben: Mackels Leben sind Autos und Motorsport. Doch wie kam es dazu, dass der heute 39-Jährige in einen Rennwagen gestiegen ist?

Die Geschichte beginnt Mitte der neunziger Jahre. Ralf Mackel besuchte zu dieser Zeit regelmäßig Rennsportveranstaltungen als Zuschauer auf der Tribüne, weit ab von den Geschehnissen, die ihn als Autofreak zunächst noch mehr interessieren als die immer wieder vorbeirasenden Fahrzeuge: das Schrauben am Auto, der Sound der Motoren aus nächster Nähe, das Klimpern der Werkzeuge. Bei nächster Gelegenheit besorgte sich Mackel eine Eintrittskarte mit Zugangsberechtigung zur Boxengasse. Dort kam es zu einer Begegnung, die sein weiteres Leben prägen sollte. Er traf auf Uwe Alzen und Manuel Reuter, die für Opel in der Internationalen Tourenwagenmeisterschaft (ITC) an den Start gingen und schon Erfahrung in der DTM aufzuweisen hatten. Über diese beiden konnte sich Mackel in der Folgezeit Zutritt zu den besten Plätzen im Fahrerlager verschaffen. Opel-Chef Volker Stryczek sah zwar nicht gerne, dass ein „Fan“ scheinbar die Ruhe seiner Fahrer störte, Alzen und Reuter hatten dennoch jederzeit ein offenes Ohr für Mackel und nahmen ihn auch zum nächsten Rennen mit. Eines Abends, es muss zu später Stunde gewesen sein, kam die Idee auf, dass Mackel doch selbst mal am Steuer sitzen könnte. Mit Hilfe von Alzen, Reuter und dem erfahrenen Roland Asch konnte das geheime Training realisiert werden, Mackel musste sich zeitweise in fremde Rennanzüge stecken lassen, um nicht aufzufallen. Doch die Presse bekam es doch irgendwann spitz, man fragte sich: „Was sucht denn der Blinde immer bei denen??“. Die Konsequenz war eine Abmahnung für Reuter, Asch und Alzen, die sich zudem mit Vorwürfen über die Fahrlässigkeit ihres Handels auseinandersetzen mussten. Von nun an war klar, dass geheime Trainingssessions nicht mehr in Frage kamen. So versuchte Mackel, den Betreiber des Hockenheimrings, Hans-Jürgen von Glasenapp, für sein Projekt zu begeistern, regelmäßige Testtermine auf der Rennstrecke in Baden-Württemberg zu bekommen. Dies gelang ihm auch, der Ablauf eines Testtermins ist jedoch nicht ganz einfach. Zunächst ist Mackel bei einem normalen Straßenfahrzeug Beifahrer, die Scheiben werden leicht geöffnet, damit sich der nur auf sein Gehör angewiesene gebürtige Usinger einen Grundriss der Strecke im Kopf verschaffen kann. Nach ein paar Runden steigt er selbst vorne links ein und erhöht kontinuierlich das Tempo, um sich die Bremspunkte einzuprägen. Je nach Länge und Schwierigkeitsgrad der Strecke kann dies zwischen 30 Minuten und drei Stunden dauern. Wenn sich Mackel seiner Sache sicher ist, setzt er sich in den Rennwagen und wird alleine auf den Rundkurs geschickt. Nur in seltenen Fällen wird ein weiteres Fahrzeug zeitgleich auf die Strecke gelassen, nach schlechten Erfahrungen bei einer Fahrt mit Uwe Alzen und Roland Asch, die vor bzw. hinter Mackel fuhren, ist dieses Thema auch ad acta gelegt. Es war im letzten Jahr in Zandvoort, es war die gleiche Kurve wie bei Peter Dumbrecks schlimmen Unfall in der DTM vor drei Wochen, in der Mackel durch einen eigenen Fehler die Kontrolle über den Wagen verlor und bei 240 Stundenkilometer von der Fahrbahn flog. Doch außer leichten Prellungen passierte dem Frankfurter nichts, dennoch entschied man sich, nicht mehr „in der Kolonne“ zu trainieren.

Mittlerweile hat der gelernte Datenverarbeitungskaufmann und Programmierer, der laut eigener Aussage jedoch kein Freund der Büroarbeit ist, viele Rennwagen, aber auch herkömmliche Straßenfahrzeuge getestet. Unter anderem fuhr Mackel den neuen Opel Vectra, den Porsche S4 und den Audi A4 Cabrio. Doch seit Dezember 2002 hat er in seiner Werkstatt auch ein Rennfahrzeug stehen, welches rund einmal im Monat in Hockenheim zum Einsatz kommt: den 1964er Formel Super V, der über einen rund 100 PS starken Motor verfügt. Das Fahrzeug wurde seinerzeit von Jochen Maas eingesetzt und gelangte über Uwe Alzen in den Besitz von Ralf Mackel. Verschiedene Sponsoren halfen Mackel, den Rennwagen für einen Einsatz auf einem Grand-Prix-Kurs fit zu machen. Dazu gehörte bis zum letzten Kalenderjahr die Ebay Motors Deutschland und die Oettinger Technik GmbH, die viel Zeit und Geld in den Wagen investierten. „Ohne Sponsoren könnte ich das nicht machen“, so Mackel, der froh ist, wenn er durch diese Unterstützung wenigstens die Kosten decken kann. Doch das reicht noch nicht: Was für Michael Schumacher der Ferrari-Rennstall ist, ist für Mackel das Schnabl-Racing Team, welches seit 2003 in Butzbach stationiert ist. Mackel lernte Sven Schnabl vor zweieinhalb Jahren durch die Vermittlung von Roland Asch kennen, der 2001 selbst für Schnabl in einen V8-Jaguar stieg. 1996 gründete sich das Schnabl Engineering und ist seitdem von Jahr zu Jahr in verschiedenen Rennserien aktiv, aktuell im Porsche Carrera Cup und in der Mini-Challenge, wo bis vor kurzem Cora Schumacher, die Ehefrau von Ralf Schumacher, die technische Betreuung von Schnabl und Co. genoss. Auch Mackel ist bei dem Wetterauer Team in guten Händen, dass Autos auch teilweise selber baut oder sie im Rahmen des Reglements verändert. Neu angefertigt hat Sven Schnabl in Zusammenarbeit mit seinem Team ein Monocoque für das Formel-Renault-Fahrzeug, Mackels zweite Rennmaschine in der Garage, um ihm das Fahren in diesem Auto so sicher wie möglich zu machen.

Bereits zuvor hatte der Betreiber einer Autowerkstatt in Frankfurt-Sossenheim seinen ersten Einsatz mit dem Formel V: Die Hockenheimring GmbH stellte im Februar vergangenen Jahres seinen Kurs für zwei Tage kostenlos zur Verfügung. Zunächst testete Mackel im 300 PS starken Oettinger S3 unter fachkundiger Anleitung von Ex-Formel-3-Pilot Danny Pfeil, der heute Instruktor der „Mit-Sicherheit-Besser-Fahren GmbH“ ist und 75000 Rennkilometer aufzuweisen hat. Mackel, der den Kurs zuvor noch nie befahren hatte, kreiste nach nur einer knappen Stunde Übung in weniger als 1:30 Minuten um den Ring, nur knapp eine Minute langsamer als die Zeit eines sehenden Profis im gleichen Gefährt. Danach erfolgte der Umstieg in den Formel-Wagen. Da Mackel, der auch „Big Mac“ gerufen wird, nach Gehör fährt, ging er in dem sehr lauten Rennwagen mit Bedacht zu Werke, verbesserte sich aber stetig.

Am zweiten Tag, unter den Augen des ehemaligen Direktors seiner Blindenschule, Herrn Edmund Heil, steigerte sich Mackel noch einmal deutlich und konnte abschließend sensationelle 1:23,4 Minuten fahren. Die Anwesenheit von Edmund Heil freute Mackel besonders, er absolvierte unter ihm seine mittlere Reife und die Handelsschule in Friedberg.

Dem Hockenheimring ist Mackel stets treu geblieben. Seit 2002 ist der Familienvater offizieller Partner der Rennstrecke. Er hat zwar gewisse Verpflichtungen zu erfüllen, bekommt aber kostenfrei die Möglichkeit, regelmäßige Trainingseinheiten fahren zu können und im Rahmenprogramm bei Großveranstaltungen auftreten zu dürfen. „Das Publikum ist in kritischen Kurven sogar ein Vorteil“, so Mackel, dem der Zuschauerlärm erstaunlicherweise eher hilft als schadet. Mackel hat aber auch schon viele andere Rennstrecken kennengelernt. „Ich bin schon den Lausitz-, den Sachsen- und den Norisring gefahren. Im Ausland kenne ich mich beispielsweise in Monza, auf dem A1-Ring in Österreich und in Suzuka aus“. Letztere Strecke sei „kriminell“, so Mackel, der aber keine Angst hat, wenn er ins Auto steigt. Vielmehr ist es für ihn eine große Faszination, „etwas zu beherrschen, was viele Sehende nicht können“.

Diese Faszination und Leidenschaft für den Motorsport hat sich auch auf seine neunjährige Tochter Laura und ihren zwei Jahre jüngeren Bruder Timo übertragen. Schon vor zwei Jahren erreichten sie bei einem Kartrennen des Eschbacher Motorsportclubs (Landkreis Hochtaunus), den Mackels Großeltern in den 1950ern ins Leben riefen, für acht- bis 13-Jährige den zweiten (Timo) bzw. dritten (Laura) Platz. Das Interesse für motorisierte Fahrzeuge ist bei Mackels Filius jedoch um einiges größer als bei der älteren Schwester. „Während Timo an einem Rennwochenende nahezu pausenlos im Fahrerlager mit Moped oder Motorroller umherfegt, gehen die Frauen lieber shoppen“, erzählt Mackel mit einem Lächeln.

Mit seinen außergewöhnlichen Leistungen hat Mackel natürlich die Neugierde verschiedener Fernsehanstalten geweckt. So hat neben dem Hessischen Rundfunk auch RTL bereits eine Reportage über den Ausnahmesportler gesendet. Das Ergebnis der zweitägigen Dreharbeiten wurde in stern-TV ausgestrahlt, Mackel war demnach auch Gast in der Sendung von Günter Jauch. Nicht zu Stande gekommen ist dagegen ein Kontrakt mit dem ZDF-Quotenknaller „Wetten, dass…“, die sich zunächst sehr interessiert an einer Außenwette zeigten, in der Mackel eine Runde in einer bestimmten Zeit fahren sollte. Die Hockenheimring GmbH und das Schnabl-Racing-Team investierten viel Zeit und Geld in die mehrere Monate dauernden Vorbereitungen, drei Wochen vor der Sendung sagte das ZDF die Aktion jedoch kurzfristig ab. „Mit dem ZDF mache ich nichts mehr“, ärgert sich Mackel noch heute über das Zweite Deutsche Fernsehen.

In Planung ist des weiteren eine Zusammenarbeit mit Stefan Raab und seinem Arbeitgeber, der Sat1-Pro7 Media AG. Wie diese konkret aussieht, steht noch in den Sternen, erste Tests mit Raab und dem Weltklasse-Rodler Georg Hackl haben allerdings schon auf dem Hockenheimring stattgefunden.

Den nächsten offiziellen Termin hat Mackel am nächsten Wochenende auf seiner „Heimstrecke“, dem Hockenheimring, wenn er als Vertragspartner des DTM-Teams Abt Sportsline, welches zu Audi gehört, seinen Aufgaben in der Box nachgeht. Doch Mackel wird auch auf der Strecke zu sehen sein, denn es wird zu einem Duell mit dem aktuellen DTM-Sieger kommen: Mackel und Matthias Ekström werden beide im selben DTM-Audi nacheinander eine schnelle Runde drehen. „Ich werde alles geben, um schneller zu sein als Matthias“, rechnet sich der Rennfahrer gute Chancen aus, gegen den besten DTM-Fahrer 2004 bestehen zu können.

Go, „Big Mac“, go!